Rubas größter Wunsch zum Fest: „Papa soll kommen!“ - Kreisverband Mannheim e.V.
· Pressemitteilung

Rubas größter Wunsch zum Fest: „Papa soll kommen!“

Schmerz, Heimweh und Hoffnung - gemischte Gefühle bestimmen das bevorstehende Weihnachtsfest. Vorne links: die Syrerin Malak und ihre drei Kinder Alma, Ruba und Mohammed; Benard aus Nigeria (2.v.re.); in der Mitte Ziden Noureddine und Kollegen vom Deutschen Roten Kreuz Mannheim. Foto:hbo

Wie erleben Flüchtlinge ihr erstes Weihnachten fern der Heimat? Ein Besuch bei Christen und Muslimen im Franklin-Village.

In vielen Wohnungen und Häusern ist es jetzt wieder besonders behaglich: Kerzen werden angezündet, alles wird geschmückt, warmes Licht erhellt die Räume. Man freut sich, zu Hause zu sein und es schön zu haben. Dort, wo tausende von Flüchtlingen ihr erstes Weihnachtsfest fern von der Heimat erleben müssen, sieht es weit weniger einladend und gemütlich aus.
So auch im Benjamin-Franklin-Village in Käfertal, wo derzeit mehrere tausend Flüchtlinge leben. Doch versuchen ehrenamtliche Helfer und Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes, ein wenig weihnachtliche Stimmung zu erzeugen: In manchen Räumen stehen Adventskränze auf den Tischen, es gibt selbst gebackene Plätzchen, an einigen Fenstern blinken rote oder goldene Sterne.
Zu Weihnachten soll zumindest ein kleiner Lichtschein in die vielen traurigen, sorgenvollen Gedanken der Bewohner dringen. "Das haben alle hier nötig", sagt Ziden Noureddine, Sozialarbeiter des DRK. "Vor allem den vielen Kindern hier möchten wir Freude bereiten und dafür sorgen, dass sie sich ein bisschen geborgen fühlen."

Weihnachten im Benjamin Franklin Village

Im Benjamin-Franklin-Village in Käfertal leben derzeit nach Angaben des Deutschen Roten Kreuzes Mannheim rund 4300 Flüchtlinge, darunter viele Familien mit Kindern. Muslime stellen die Mehrheit der derzeitigen Bewohner des BFV. Den Anteil der Christen schätzt das DRK Mannheim auf etwa ein Drittel. Laut DRK-Mitarbeitern hat es im BFV bisher noch keine religiös bedingten größeren Konflikte zwischen Christen und Muslimen gegeben. Viele Muslime feiern das Weihnachtsfest ähnlich wie die Christen. Auch bei ihnen gehören ausgiebige Mahlzeiten, typisches Gebäck, teilweise auch alkoholische Getränke sowie festliche Beleuchtung und geschmückte Bäume zum Weihnachtsfest dazu. Viele Syrer wünschen sich gerade in diesem Jahr zu Weihnachten Glück und Frieden mit einem viel verbreiteten Spruch: "Der Herr des Friedens wird auch nach Syrien wieder Frieden bringen."

Für die Syrerin Malak und ihre Kinder Ruba (10), Mohammed (6) und Alma (3) existiert die Geborgenheit des eigenen Zuhauses nur noch in der Erinnerung. Vor wenigen Monaten sind die vier, nach der Flucht vor der Terrormiliz IS, in Mannheim angekommen. Malaks Ehemann, der Vater der drei Kinder, ist schon länger in Deutschland, wohnt in einer Flüchtlingsunterkunft in Singen. Bürokratische Hürden verhindern, dass der Vater bei seiner Familie in Mannheim leben kann, doch: "Wir hoffen, dass die Familie im kommenden Jahr endlich komplett sein wird", sagt Ziden Noureddine, dem der Kummer von Malak und den Kindern sichtlich unter die Haut geht.
"Früher haben wir in Syrien immer ein großes Fest zu Weihnachten gefeiert, mit der Familie, mit Freunden, Nachbarn", erzählt Malak - und ihre Augen leuchtet dabei. "Zum Fest wurden die Häuser auf Hochglanz gebracht, man hat sich gegenseitig besucht, jeder brachte Essen mit, Lichter wurden angezündet - es war wunderschön."
Was viele erstaunen mag, erzählen die Flüchtlinge: Im einst friedlichen Syrien war es gute Gewohnheit, dass Christen und Muslime gemeinsam Weihnachten feierten, sich gegenseitig Glück und Frieden wünschten, und dass jeder die Religion des anderen achtete. Das bestätigt auch Habib Daher: "Oft kamen wir alle sogar in einem großen Raum einer Kirche zusammen, haben Gedanken und Wünsche, Essen und Getränke miteinander geteilt. Und wenn ein Christ gestorben war, haben wir, die muslimischen Nachbarn und Freunde, Geld für Familie und Begräbnis gesammelt."

Weihnachtsbotschaft für alle

Benard, ein gläubiger Christ aus Nigeria, hat ebenfalls kein Problem damit, bei unserem Treffen im weihnachtlich geschmückten Zimmer mit Muslimen aus Syrien und anderen Ländern zusammenzusitzen. Auch er musste vor Unterdrückung und drohendem Tod fliehen, Frau und Kinder im Heimatland zurücklassen, weiß nicht, wie es seiner Familie dort geht. Ihm gibt seine Religion Kraft: "Weihnachten ist für jeden da", sagt er, "die Botschaft erfüllt mich mit Glück. Und ich vertraue darauf, dass es hier, in meiner neuen Heimat, zu guten neuen Begegnungen kommt und die Dinge sich zum Besseren wenden.
"Was ist Benards größter Weihnachtswunsch? "Wohlstand und eine Politik des Friedens", antwortet er. "Frieden" und "Hoffnung" wünschen sich Habib Daher und Ziden Noureddine. Malak sagt, wenn nur endlich ihr Mann, ihre "zweite Hälfte", wieder bei ihr sei, könne sie wieder Hoffnung schöpfen.
Zuletzt fragen wir die drei Kinder nach ihrem größten Wunsch. Mohammed schweigt, seine großen dunklen Augen schauen ins Leere. Die kleine Alma lacht uns einfach nur an. Ruba, die Zehnjährige, sagt lange nichts. Dann kommt es ganz leise, und eine dicke Träne rinnt ihr dabei über die Wange: "Papa".
© Mannheimer Morgen, Mittwoch, 23.12.2015 Foto und Text: Helga Boschitz